[Interview] Vivus Humare

Das Party.San Open Air lockte 2012 mit einer Tentstage für aufstrebende Untergrundkapellen. Diese Gelegenheit nahmen einige wahr und sammelten sich zum Konzert von VIVUS HUMARE. Black Metal aus Thüringerlanden stand auf dem Plan. Ich hatte vor der Bestätigung auf dem PSOA noch nichts von ihnen gehört, was sich allerdings jetzt ändern wird. Auf ein klasse Auftritt folgte eine Anfrage auf ein Interview...


(Urheber: Martin Falkenbach - I.K. PRODUCTIONS & ART-EXECUTION)

Grüße euch, ich hoffe bei euch ist alles klar?

Mt.: Sei gegrüßt. Gleich zu Anfang schon einmal ein Dankeschön für dein Interesse und die Möglichkeit dieses Interviews. Wir freuen uns schon auf die Fragen.


Ihr seid bis jetzt eher nur regional bekannt. Was hat deshalb der Auftritt beim diesjährigen Party.San Open Air für euch bedeutet?

Siechenhund: Das stimmt, weit herumgetrieben haben wir uns tatsächlich noch nicht. Wobei man sagen muss, dass einige Leute für unsere Konzerte weite Wege auf sich genommen haben. So kamen extra zu unserem Auftritt in Leipzig 2011 Teile des Publikums aus der Schweiz und den Niederlanden. Genaugenommen zählt ja das PSOA auch zu den regionalen Geschichten, da unsere Anreise nun nicht wirklich weit gewesen ist. Das Besondere am Festival war eher, dass auch Menschen, die andere Genres bevorzugen, unsere Musik hören konnten. Da wir kaum Einflüsse anderer Stile haben und somit auch oft nur mit anderen Black-Metalbands zusammenspielen, war dies bisher kaum der Fall. So ein ganzer Abend Schwarzmetall ist halt nicht für jeden etwas.

Mt.: Ich glaube, man kann sagen, der Auftritt war bis dato der Höhepunkt unseres Band-Daseins. Obwohl wir neben einer Demo und ein paar Titeln im Internet noch keine weitere Veröffentlichung haben, konnten wir trotzdem auf der Bühne unser Können unter Beweis stellen. Die Untergrundbühne ist eine hervorragende Möglichkeit für junge Gruppen, gerade im Extrem-Metal Bereich, ihre Musik einem breiteren  Publikum zu präsentieren.

(Urheber Fotos: Thomas Lotze, Urheber Bearbeitung: Florian Vogt)


Wie kam es zum Auftritt. Wurdet ihr gebeten und habt ihr euch beworben?

Sichenhund: Wir haben es über die Party.San-Webseite erfahren und sofort eine Mail geschrieben. Da wir einige Konzerte in Thüringen hatten und dort natürlich auch öfter Mitglieder der Organisation anwesend waren, bekamen wir recht schnell die Zusage.

 

Wie empfandet ihr den Aufritt, das Publikum und das Festival? Wie war es für euch mal selbst auf der Bühne vom Party.San zu stehen - ich nehme an, dass ihr als Thüringer selbst schon öfters auf dem Party.San wart?

Sichenhund: Ja, wir standen viele Jahre in Bad Berka im Schlamm und haben tolle Festivals erlebt. Das Festival war super, die abgedunkelte Bühne genau richtig für Black-Metal, denn die Musik ist einfach nichts für Tageslicht und riesige Mainstages. Die Organisation des Festivals war generell klasse. Obwohl man sicher davon ausgehen kann, dass man als Band der Untergrundbühne anders behandelt wird als die Headliner, so wurde sich doch permanent um uns gekümmert - alles lief sehr entspannt und professionell ab. Schaut man sich an, wie kleine Bands auf anderen Festivals behandelt werden, wo man erst mal alle seine Facebook-Kontakte mit Votings belästigen muss, stellenweise sogar für Auftritte bezahlt, dann kann man die Untergrundbühne auf dem PSOA gar nicht genug schätzen. Wir haben auch die meisten anderen Bands gesehen und man hatten stets das Gefühl, dass die Menschen auf der Bühne 100% Bock hatten und einfach ein tolles Wochenende erlebten.

 

(Urheber Fotos: Thomas Lotze, Urheber Bearbeitung: Florian Vogt)


Einige sind ja nach dem Auftritt auf euch zugegangen (ich zähle mich dazu) und haben euch für den klasse Auftritt gedankt. Schwillt da nicht die Brust an und ist stolz auf sein Geschaffenes?

Sichenhund: Natürlich ist Feedback immer großartig. Lob, ebenso wie konstruktive Kritik.

Die Brust schwillt da allerdings nicht an; wir wissen, wo wir herkommen und stehen vor und nach Konzerten im Publikum, wie alle anderen auch. Es freut uns, wenn Menschen gefällt, was wir machen, aber wir wissen sehr wohl, dass wir das Rad nicht neu erfinden.

Mt.: Noch nicht …(lach)

Natürlich ist es ein tolles Gefühl, wenn Leute so begeistert sind, dass sie sich für das Erlebnis bedanken. Ich habe während des Konzerts unsere Musik auch so intensiv wahrgenommen wie noch nie zuvor. Die Stimmung war einfach perfekt und uns hat es gewundert, dass so viele Leute da waren und auch geblieben sind - kleiner Scherz. Das hat uns gezeigt, dass es nicht so verkehrt ist, was wir machen. Wenn man dann noch hinterher angesprochen wird, macht einen das schon etwas stolz.

 

Weg vom Party.San und zu euch. Euer Name "Vivus Humare" heißt, wenn ich richtig recherchiert habe "lebendig begraben". Wie seid ihr auf den Bandnamen gekommen und warum in Latein?

Leshiyas: Ja, mit deiner Übersetzung liegst du richtig. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob dieser Zustand Ergebnis eines Opferrituals oder eines medizinischen Phänomens ist. Die Vorstellung, lebendig begraben zu sein, dürfte wohl jedem einen Schauer über den Rücken laufen lassen; und das aus gutem Grund, da dieser Zustand quasi den sicheren Tod bedeutet, auch wenn man physisch und psychisch noch lebendig ist. In dieser Situation ist das Interessante, wie der Mensch damit umgeht, ob und wie er den nahenden Tod verarbeitet. Der lebendig Begrabene befindet sich nun im Zwiespalt: beschreitet er den Weg des (nutzlosen) Aufbäumens, indem er verzweifelt gegen seine Situation ankämpft und alle seine äußeren wie inneren Kräfte anstrengt, um in diesem Moment noch ein letztes Mal seiner Existenz Nachdruck zu verschaffen und um seiner selbst gewiss zu sein? Oder: ergibt er sich voller Lethargie, Trauer und Selbstmitleid seinem Schicksal? Das Ergebnis - das Ableben - ist aber sicher. Daher unterscheidet sich nur, wie man das übrige Leben ausfüllt, bevor man siechend dem Lebensende entgegensieht. Diesen Zustand und die Reaktionsmöglichkeiten des Menschen darauf soll die Musik, die Vivus Humare zu erschaffen versucht, beschreiben und erlebbar machen; daher kommen Wut und Raserei, Melancholie und Verzweiflung, aber auch Hoffnung und Wahnsinn in ihr vor. Die Entscheidung, den Bandnamen zu latinisieren, kommt daher, dass das beschriebene Ritual respektive Phänomen eher in älterer Zeit vorkam; Latein steht für diese Zeit, wenn es natürlich auch heute noch in Gebrauch ist.

 


(Urheber Fotos: Thomas Lotze, Urheber Bearbeitung: Florian Vogt)

Bis jetzt habt ihr eine Demo herausgebracht. Wo kann man diese noch erwerben und wie sieht es mit neuem Material aus?

Siechenhund: Das Demo ist restlos ausverkauft, wir überlegen jedoch, es frei ins Netz zu stellen; neues Material ist aufgenommen und wird bald veröffentlicht, anschließend beginnen schon wieder die Aufnahmen weiterer Lieder. Es wird also einiges kommen. Wir lassen uns jedoch Zeit, denn wir sind nicht Dimmu Borgir und nehmen alte Songs nach 10 Jahren neu auf; deswegen überstürzen wir nichts.

 

Seit ihr zurzeit auf der Suche nach einem Label oder würdet ihr euer neues Material selbst veröffentlichen?

Siechenhund: In letzter Zeit haben sich durch das Internet viele Möglichkeiten ergeben, Musik direkt dem Hörer zukommen zu lassen, ohne Mittelsmann. Das werden wir nutzen.

Wir stehen auch in Kontakt mit Labels und schauen mal, was sie uns anbieten können. Jedoch möchten wir weiter zu 100% frei sein, was künstlerische Aspekte angeht. Das schränkt die Auswahl auf einige wenige Firmen ein.

 

Woher bezieht ihr eure Einflüsse für eure Musik und Texte?

Siechenhund: Aus täglichen Erfahrungen, Erlebnissen und Einflüssen. Vivus Humare ist zu begreifen als eine Momentaufnahme, die Wiedergabe eines Augenblicks.

Mt.: Bei uns schreibt eigentlich jeder an den Texten mit, die meisten stammen jedoch von mir. Da ich seit 2010 die Stimme übernommen habe, ist das, denke ich, ein üblicher Prozess, da man sich ja mit seiner Rolle in der Gruppe auseinandersetzt. Wenn ich schreibe, passiert das immer aus einem Gefühl heraus – irgendein Impuls, der mir sagt, das wäre jetzt ein gutes Thema. Manchmal ist auch die ein oder andere Flasche Wein im Spiel. (lach) Eigentlich geht es immer um gewisse Meilensteinereignisse die jeder in seinem Dasein durchleben muss, positiver oder negativer Natur. Ich versuche dann immer diese Gefühle und Momente in fiktive Szenarien zu formen, um mit den Worten ein Bild zu zeichnen.

Leshiyas: Die Einflüsse für die Musik sind relativ vielfältig. Zum Teil kommt die Inspiration aus der inneren Gefühlswelt. Da diese allerdings nicht aus dem leeren Raum entsteht, sondern immer auch äußeren Umständen geschuldet ist, formt sie sich durch die alltäglichen Erfahrungen eines Moments, wie eben angesprochen, oder eines längeren Zeitraums. Ein anderer Teil der Einflüsse kommt von künstlerischen Schöpfungen, bspw. aus Musik, Literatur, Film, Malerei u.ä.

 


(Urheber Fotos: Thomas Lotze, Urheber Bearbeitung: Florian Vogt)

Dieses Jahr sind ja wieder klasse Alben auf den Markt gekommen. Welches Album ist für dich das beste Album 2012?

Da unsere Musikgeschmäcker doch etwas verschieden sind, hier jeweils zwei Favoriten jedes Einzelnen...

Siechenhund: Germ - Wish, Wolfhetan - Was der Tag nicht ahnt

Leshiyas: Lunar Aurora – Hoagascht, Membaris - Entartet

Mt.: Drudkh - Eternal Turn of the Wheel, Eis – Wetterkreuz

Skadilvari:  Blut aus Nord - 777 – Cosmosophy, Drudkh - Eternal Turn of the Wheel

 

Wie seht ihr zurzeit die Entwicklung der Black Metal "Szene" mit den vielen aufsteigenden Bands und den vielen verschiedenen Untergruppen des Black Metals. Wird der Black Metal seinen Reiz verlieren und stumpf werden?

Siechenhund: Diese Frage kommt doch seit 20 Jahren regelmäßig auf, und immer wieder kommen Alben auf, wie die neueren CDs von Abigor, Der Weg einer Freiheit oder auch DHG, die beweisen, dass noch nicht alle Wege beschritten sind.

Leshiyas: Dennoch existiert weiterhin der traditionelle Black Metal, der nicht gleich jeder modernen Erscheinungsform hinterherrennt. Auch das macht Black Metal weiterhin erfrischend - erfrischend altmodisch.

Siechenhund: Wie alle Genres der Musikbranche ist auch Black Metal derzeit einem massivem Wandel unterworfen. Neue Technologien und Denkmuster zerpflücken alle Paradigmen des 20. Jahrhunderts, und immer wieder wird klar, dass nichts in Stein gemeißelt ist, sondern ständigem Wandel unterliegt. Gerade in solch turbulenten Zeiten gibt es ein Bedürfnis nach etwas Festem, einem Anker. Da gerade Extrem Metal im großen Ganzen sich bekanntlich langsam aber stetig entwickelt, und in vielerlei Hinsicht erstaunlich konservativ und wie bereits erwähnt z.T. altmodisch ist, kann er eben genau so etwas sein.

Leshiyas: Letztlich entscheidet der Geschmack, was man sich davon anhört und es ist der große Vorteil, als Hörer und Rezipient aus so einem reichhaltigen Angebot schöpfen zu können. Wichtig ist nur, dass Bands das Gefühl des Black Metals authentisch vermitteln. Die Ausdrucksformen sind so vielfältig wie die Individuen, die in den Bann dieser Musik und ihrer Lebenswelt gekommen sind.

Skadilvari: Heute hat jeder die Möglichkeit, sich mithilfe des heimischen Computers und der nötigen Programme der Allgemeinheit mitzuteilen. Dadurch blühen im Metal-Bereich die Soloprojekte wie Pilze aus dem Boden; unter ihnen viele Prokaryoten  ohne Zellwand. Die Zeit trennt die Spreu vom Weizen und die Übersättigung löst sich wieder: der sich massenhaft ansammelnde Abfall bleibt eine zeitlich begrenzte Randerscheinung.  Black Metal hat für mich dahingehend seinen Reiz, als er zeitlos ist; mich die Zeit vergessen läßt.


Wie sieht es mit weiteren Liveauftritten bei euch aus? Ist schon was geplant oder wird es erstmal in der Umgebung bleiben?

Siechenhund: Wir schauen jederzeit nach Auftrittsmöglichkeiten, gerade außerhalb Thüringens. Der Fokus liegt jedoch auf dem Schaffen neuer Musik, die Konzerte laufen eher nebenbei. Konkret ist in nächster Zeit nichts geplant.

 

Die letzten Worte gehören euch:

Mt.: Machen wir es kurz und schmerzlos. Nochmals vielen Dank für dein Interesse und noch viel Erfolg mit der Internetseite.

 

Zum Schluss möchte ich euch alles Gute für euren weiteren Weg wünschen und hoffe, dass man euch bald mal wieder zu hören bekommt.

Mt.: Danke, davon gehen wir aus. Bis bald

 


( Heimdall - www.ginnungagapmetal.de )

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