[Interview] Skald Draugir (HELRUNAR)

Seit ihrem letzten Release, "Baldr Ok Iss" aus dem Jahre 2007 hat sich einiges getan bei den Pagan-Black Metallern aus Münster. Es gab einen Besetzungswechsel und ein lange Pause, bis eine neue Livecrew zusammengetrommelt wurde. Frontmann Skald Draugir hat uns in diesem Interview einen interessanten Einblick in die Welt von HELRUNAR gewährt.



Thyrm: Hey Skald! Alles klar bei dir? Wieder einigermaßen ans Livegeschäft gewöhnt, nach fast eineinhalb jähriger Abstinenz?


Skald Draugir.: Hei! Muß ja, wie man in Westfalen sagt. An das Livegeschäft muß man sich nicht mehr großartig gewöhnen... wir haben schon oft genug Live gespielt, damit es langsam zur Routine wird.


Thyrm: Erstmal ein paar Worte zur aktuellen Situation: Euer Gründungsmitglied und Mitsongwriter Dionysos hat letztes Jahr die Band verlassen. Möchtest du was zu seinem Ausstieg sagen?

Skald Draugir.:Dazu gibt es nicht viel zu sagen. So etwas passiert halt. Die Bedeutung seines Ausstiegs wird in der Presse im Allgemeinen größer gemacht als sie wirklich ist.


Thyrm: Einige Zeit nach seinem Ausstieg, habt ihr euch zwei neue Live Gitarristen ins Boot geholt. Bleibt es bei Live-Mitgliedern, oder werden sie sich am Songwriting beteiligen, und somit fester Bestandteil von HELRUNAR?


Skald Draugir.: Nein, sie werden für Helrunar nur Session - Mitglieder bleiben. Die Band wird zukünftig nur noch aus Alsvartr und mir bestehen. Allerdings planen wir auch weitere musikalische Projekte abseits von Helrunar, bei denen die beiden dann fest eingebunden werden... Discordius und Harcon sind gute Musiker und die Zusammenarbeit mit ihnen läuft hervorragend, auch auf persönlicher Ebene. Mal sehen, was sich in Zukunft daraus entwickelt die anderen Projekte betreffend.



Thyrm: Mir ist zu Ohren gekommen, dass bereits ein neues Album in Planung ist. Stimmt das? Glaubt ihr, ihr könnt den typischen HELRUNAR-Klang
auch ohne Dionyos beibehalten, oder habt ihr vor "neue" Wege zu gehen?



Skald Draugir.: Ja, wir arbeiten schon sehr intensiv an neuem Material und im Mai geht es ins Studio. Da wir schon immer alle an den Kompositionen beteiligt waren, werden typische Helrunar - Elemente erhalten bleiben. Wir wollen aber auch textlich und musikalisch weiter gehen als bisher. Die letzten Reste von Klischee und Belanglosigkeit werden aus Musik und Texten entfernt. Es gibt viel zu viel belanglosen Black Metal, der immer nur schon tausendfach verwandte Elemente identitätslos wiederkäut. Es ist wichtig, weiter zu gehen, das musikalische und textliche Inventar auszubauen. Auf jeden Fall wird das nächste Album "anders" werden... düsterer in jedem Fall, intensiver, emotionaler. Es wird definitiv Black Metal sein und erscheint voraussichtlich im Oktober oder November 2010. Der Albumtitel ist "Sól".



Thyrm: Mal ein paar Worte zu eurer Bandgeschichte. Ihr habt mittlerweile auch schon zwei Alben, eine Demo und eine Split auf den Markt gebracht. Wie siehst du die Entwicklung von der "Gratr" bis hin zur "Baldr Ok Iss"?



Skald Draugir.: Mittlerweile sehen wir es ein wenig selbstkritisch. Auch wenn "Frostnacht" und "Baldr ok Íss" gute Alben sind, mit denen man auch im Nachhinein durchaus zufrieden sein kann, so gingen sie doch eigentlich nicht weit genug, was die künstlerische Entwicklung betrifft. Vielmehr sind sie in gewisser Weise eher Variationen von dem, was wir schon auf der "Grátr" gemacht haben, auch wenn eine Entwicklung hörbar ist. Aber durch die neue Bandsituation bietet sich jetzt die Chance sich weiter zu entwickeln und neue, unerschlossene Pfade zu betreten, was man auf "Sól" auch hören wird.



Thyrm: Mich würde interessieren, wie die ersten Resonanzen zur "Gratr" waren. Ich meine Demo kann man diese Scheibe ja kaum nennen, konntet ihr euch überhaupt noch retten vor Anfragen diverser Plattenfirmen? Hehe.



Skald Draugir.: So viele Anfragen waren es nun auch wieder nicht. Aber es kamen schon einige, was ja heutzutage keineswegs mehr selbstverständlich ist. Die ersten Resonanzen waren damals überwältigend bis zumindest gut. Eigentlich waren wir selbst davon überrascht.



Thyrm: Wie ich schon aus einigen anderen Interviews mit euch, und auch aus den Texten selbst herauslesen konnte, legst du viel Wert auf die Sprache
und den Sinn deiner Texte. Angenommen ihr nehmt wieder ein neues Album auf, wann und wie entsteht dein Lyrisches Konzept? Sind es Sagen, Mythen usw. die dich
gerade am meisten faszinieren, oder hast du immer was bestimmtes im Kopf, was du ausdrücken möchtest, bevor du zur Feder greifst?



Skald Draugir.: Im Prinzip ist es erst einmal das Leben... Erfahrungen, die ich gemacht habe, Dinge und Gedanken, die mich bewegen. Mythologische und archetypische Bilder gesellen sich oft wie von selbst dazu... aber manchmal suche ich sie auch bewusst. Bei dieser Suche ist mir fast jede Form von Medium als Inspiration willkommen, meist sind es jedoch eben Mythen und Dichtung. Einige Texte entstehen dann schnell, wie von selbst. An anderen muss ich lange tüfteln.

Man kann durchaus davon ausgehen, dass nahezu alle dramatischen Erzählformen des Menschen, sei es nun ein Mythos, ein Märchen, ein Gedicht, ein Kinofilm, ein Theaterstück usw. auch die Funktion haben, das eigene Dasein dramatisch, mythisch oder heroisch zu symbolisieren und zu überhöhen, um es so zu reflektieren und zu bewältigen. An der Stelle wird es dann interessant, weil man selbst hinter dem Text zurücktritt und den größeren, archaischeren Dingen Raum schafft, die für alle Menschen gelten.




Thyrm: Was hältst du von den zahlreichen Bands, die ebenfalls heidnische Texte in ihre Lieder einbringen, das ganze Thema aber eher oberflächlich, und fast
schon "Spaßig" behandeln? Warum ist deiner Meinung nach gerade das Heidentum so populär?



Skald Draugir.:Das ist normal für Zeiten wie jene in der wir leben. In Zeiten des Umbruchs und der massiven Innovationen und Veränderungen, welche die Menschen verunsichern und die Welt für sie schwerer fassbar machen, suchen Menschen nach Sicherheiten. Gerade dann tendieren sie dazu, alte, oft auch nur konstruierte, Traditionen zu suchen und erneut zu beleben, weil es ihnen einen Halt, ein Gefühl der Sicherheit und Identität gibt. Etwas Vertrautes eben, vielleicht auch aus längst verlorenen Kindheitstagen. Darum haben Texte und Erscheinungsbild des Pagan Metal auch mehr mit Historien- und Abenteuerfilmen sowie klischeehaften Vorstellungen gemein - diese sind den Leuten vertrauter als die historische Realität.

Diese unreflektierte Glorifizierung und Idealisierung einer Vergangenheit, die es so niemals gegeben hat, die dann aber als "wahr" verkauft wird, geht mir beim Pagan Metal auch echt auf die Nerven. Naja, als Medium zur Unterhaltung taugt es aber bisweilen und wenn es den Leuten Spaß macht sollen sie es hören. Davon stirbt ja keiner.






Thyrm: Dieses Jahr habt ihr auf dem Wolfszeit Festival eine 80 Minuten lange Headliner Show abgeliefert. Ich selbst war auch anwesend, und es war wirklich
ein genialer Auftritt. Wart ihr ebenfalls zufrieden damit?



Skald Draugir.: Dankeschön! Ja, es war sehr gut! Was soll ich noch mehr dazu sagen...? Es war schön, dabei gewesen zu sein.



Thyrm: Zum Schluss noch ein paar Worte zu deiner Person. Du studierst Volkskunde und Nordische Philologie, soweit ich informiert bin. In wie weit finden sich
diese Fächer in eurer Musik wieder? Könntest du uns etwas über die Fächer bzw. das Studium erzählen?



Skald Draugir.: Beide Fächer sind eine große Inspirationsquelle für die Texte. Die Nordische Philologie natürlich allein schon durch die Sprachen, die ich dort gelernt habe und die ich gern in den Texten verwende, aber natürlich auch durch die Originalquellen, die ich dort kennen gelernt habe. Mit der Volkskunde verhält es sich nicht viel anders... die Volkskunde ist eine Kulturwissenschaft, die alle kulturellen Äußerungen der Menschen in unserem geographischen Bereich bzw. Europa untersucht – historische wie moderne. Dabei finden sich natürlich Massen an interessantem Material, ferner lernt man auch dieses Material zu analysieren und ein einen größeren Kontext zu setzen. Auch was Erzählformen wie Sagen und Mythen betrifft... das ist wie ein großer, nie versiegender Steinbruch für Ideen.



Thyrm: So, das wars auch schon! Vielen Dank für das Beantworten der Fragen. Die letzten Worte gehören dir.




Skald Draugir.: Vielen Dank auch Dir für die Unterstützung und die guten Fragen!

P.S.: Alle Gerüchte unsere „kreative Starre“ betreffend sind stark übertrieben.





( Thyrm - www.ginnungagapmetal.de )
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