[Interview] Florian Freistetter (Astronom)

Florian Freistetter promovierte am Institut für Astronomie der Universität Wien und hat danach an der Sternwarte der Universität Jena und dem Astronomischen Rechen-Institut in Heidelberg als Astronom gearbeitet. Zur Zeit lebt er in Jena, bloggt über Wissenschaft und schreibt manchmal Bücher.




http://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex




Julian: Hallo Florian, es freut mich das du dir Zeit nimmst unsere Fragen zu beantworten! Du betreibst auf scienceblogs.de deinen eigenen Blog über Astronomie (-> Astrodictium Simplex). Könntest du kurz erläutern was dich dazu animiert hat diesen Blog zu eröffnen?



Florian Freistetter: Ich habe immer schon gerne Blogs gelesen und weil ich überzeugt bin, dass Öffentlichkeitsarbeit ein wichtiger Teil der Wissenschaft ist, habe ich mich irgendwann entschlossen, selbst einmal mit dem Bloggen zu beginnen.



Julian: In deinem Blog gibt es so einige interessante Dinge zu lesen, nicht zuletzt zu dem Thema "Weltuntergang 2012". Viele Menschen sind uninformiert und reagieren demensptrechend panisch auf dieses Thema. Bekommst du jetzt wenige Wochen vor dem 21.12.12 nochmal die volle Ladung an Mails von verängstigten Bürgern oder hat sich das ganze etwas beruhigt?



Florian Freistetter: Nein, seit dem Sommer steigt die Zahl der Anfragen wieder.



Julian: Ich denke an diesem Beispiel ist ganz gut zu erkennen, dass die meisten Menschen gar nicht mehr selbst denken wollen, und sich blind von den Medien leiten lassen - du forderst die Leute in deinem Blog immer wieder dazu auf, sich selbst mit Astronomie zu beschäftigen. Denkst du diese Ratschläge fruchten bei dem ein oder anderen Leser?



Florian Freistetter: Das weiß ich natürlich nicht, weil ich die Menschen nicht kenne. Aber bei ein paar funktioniert es vermutlich. Ab und zu bekomme ich sogar entsprechende Rückmeldungen.



Julian: Vor kurzem hast du einen Artikel der BILD gepostet, der das Niveau dieser Zeitschrift wieder ziemlich gut veranschaulicht. Es werden Tipps gegeben, was man am besten vor dem Endzeitdatum tun sollte, wie zum Beispiel sein letztes Geld ausgeben, den Job kündigen etc. Kannst du dir vorstellen, dass es Menschen gibt die sowas wirklich tun bzw. Ernst nehmen?



Florian Freistetter: Man weiß ja aus vergangenen "Weltuntergängen" dass Menschen so etwas tun. Sekten, die Massenselbstmord begehen oder Anhänger religiöser "Propheten", die angesichts des angeblichen Weltuntergangs all ihr Hab und Gut spenden. So etwas ist passiert und kann durchaus wieder passieren.



Julian: Was passiert nach dem 21.12.12? Wie werden die Verschwörungstheoritiker und Panikmacher reagieren? Denkst du, dass es kurz vor diesem Datum ernsthafte Ausschreitungen oder auch Suizide geben wird?



Florian Freistetter: Ernsthafte Ausschreitungen wird es hoffentlich nicht geben. Aber da ich nicht in die Zukunft sehen kann, kann ich das nicht wirklich beantworten.



Julian: Auch wenn ich auf diesem Gebiet Laie bin möchte ich hier gerne ein paar Fragen zur Astronomie stellen, die mich auch persönlich interessieren:

Vor kurzem habe ich von dem mehrere jahrhunderetalten Sturm gelesen, der auf dem Jupiter weht, doppelt so groß wie unsere Erde. Beeindruckend. Wie kann ein Sturm solange existieren?





Florian Freistetter: Jupiter ist kein Planet wie die Erde mit fester Oberfläche und dünner Atmosphäre. Jupiter ist eine riesige Kugel aus Gas mit einer Atmosphäre die zehntausende Kilometer dick ist. Dort läuft das Wetter ganz anders ab und Stürme können für lange Zeit stabil sein.




Julian: Es findet ca. alle 250000 Jahre auf der Erde ein Polsprung statt, und es wird vermutet dass sich in den nächsten 3000 bis 4000 Jahren ein weitere Polsprung ereignet. Wie genau läuft dieser Prozess ab und welche Auswirkungen hat er auf die Erde?




Florian Freistetter: Das Magnetfeld wird im Verlauf von einigen tausenden Jahren immer schwächer werden (aber nicht ganz verschwinden). Danach wird es mit umgekehrter Polarität wieder stärker. Der Erde passiert dabei nichts, nur die Menge an kosmischer Strahlung die die Oberfläche erreicht wird kurzfristig stärker und kann die Mutationsrate bei Lebewesen erhöhen.




Julian: Sogenannte "Sonnenwinde" sind optisch nur in Polargebieten wahrzunehmen (Polarlichter) -
aus welchem Grund kann man sie ausschließlich an diesen Orten sehen?




Florian Freistetter: Weil das Magnetfeld der Erde den Sonnenwind abblockt. Nur an den Polen, wo die Magnetfeldlinien nahezu senkrecht zum Erdboden verlaufen können die Teilchen des Sonnenwinds näher an den Boden heran (das Polarlicht findet ~100 km über dem Boden statt) und dort mit der Atmosphäre reagieren.



Julian: Stimmt es, dass die Sterne die wir von der Erde aus wahrnehmen können, meistens schon gar nicht mehr existieren?




Florian Freistetter: Je weiter ein Stern entfernt ist, desto länger braucht das Licht bis zur Erde. Die Sterne die wir mit freiem Auge sehen können sind aber vergleichsweise nahe. Im Vergleich zur Lebensdauer eines Sterns, die viele Milliarden Jahre beträgt, spielt eine Entfernung von einigen 100 der 1000 Lichtjahren keine Rolle. Die Sterne die wir sehen, existieren.



Julian: Wie ich in deinem Blog gelesen habe, ist es wissenschaftlich belegt, dass die Sonne in ca. 6 Mrd. Jahren zum "roten Riesen" wird, was die Erde
auslöschen würde. Wodurch wird dieses Ereignis ausgelöst?




Florian Freistetter: Das wird nicht "ausgelöst", das ist die normale Folge der Sternentwicklung. Die Sonne fusioniert in ihrem Inneren Wasserstoff zu Helium. Wenn der Wasserstoff verbraucht ist, kann die Sonne auch Helium fusionieren, wird dadurch heißer und bläht sich auf. Ob die Erde dadurch ausgelöscht wird, ist noch unsicher. Es kann durchaus sein, dass sie die Rote-Riesen-Phase überlebt.




Julian: Ich danke dir vielmals für das Beantworten der Fragen! Zu guter letzt:




Welches Buch hast du zuletzt gelesen?

"Demon" von John Varley

Welchen Film hast du dir zuletzt angeschaut?

"Dorfpunks"
Und da wir eine Musikplattform sind: Welche CD hast du als letztes gekauft? Augenzwinkern

"Alles verloren" von Binder-Krieglstein



Julian: Ich bedanke mich! Die letzten Worte gehören dir.



Florian Freistetter: Die Welt geht nicht unter. Der Himmel ist nichts, vor dem man Angst haben muss. Es lohnt sich, ihn zu betrachten – denn es gibt dort jede Menge tolle Dinge zu sehen.




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