[Interview] Alboin (Geïst) #2

Vor kurzem erschien das dritte Album der Bielefelder Black Metal Truppe "Geïst". Das gute Stück hört auf den Namen "Galeere" und wurde via Prophecy Productions/Lupus Lounge veröffentlicht. Ein weiterer Grund Bandchef Alboin erneut ein paar Fragen zu Stellen. Viel Spass beim Lesen.




Thyrm: Grüß dich, Alboin! Euer drittes Studioalbum "Galeere" ist vor Kurzem über Prophecy/Lupus Lounge erschienen.
Nach den ersten Zwei, doch recht unterschiedlichen Alben, beschreitet ihr nun mit einem Konzeptalbum das sich
ausschließlich um die Maritime Thematik dreht neue Wege. Warum gerade diese Thematik? Bist du persönlich daran
interessiert oder ist es einfach nur ein Weg für euch bestimmte Gefühle/Meinungen damit auszudrücken?

Alboin: Die ursprüngliche Idee stammt eigentlich von unserem Sänger Cypher D. Rex, der mich irgendwann kurz nach „Kainsmal“ darauf angesprochen hat, dass auf dem Album gehäuft maritime Wörter und Wendungen auftauchten. Er mochte das und schlug vor, das auszuweiten. Ich habe mir Gedanken darum gemacht, mich viel mit dem Thema beschäftigt, und nach und nach entstand dann das Konzept zu „Galeere“. Natürlich interessiert mich das Thema sehr, aber es ist nur eine von vielen Möglichkeiten, metaphorisch etwas auszudrücken. Ich habe es nicht gewählt, um damit etwas auszudrücken, das nur so auszudrücken gewesen wäre.

Thyrm: "Galeere" ist meiner Meinung nach euer Emotionsvollstes und Atmosphärischtes Album. Wie und Wo hast du bzw. habt ihr
die Lieder geschrieben? Es scheint als hättet ihr euch zu dem Zeitpunkt selbst in einem Sturm auf hoher See befunden.

Alboin: Schön, dass man diesen Eindruck bekommen kann. Ich brauche allerdings keine besondere Umgebung oder Inspiration, um Musik zu schreiben – einfach nur Ruhe und Zeit. Beides ist in meinem Leben leider Mangelware. Die Stücke auf „Galeere“ sind 2007 und 2008 entstanden, in relativ kurzer Zeit – wenn mein Kopfkino erst einmal angelaufen ist, bin ich auch sehr kreativ. Dann reicht es, wenn ich mich zwei Tage lang nur mit der Musik beschäftigen kann. Dann kommt alles das zum Vorschein, was ich in den Wochen, Monaten oder Jahren zu diesem Thema im Kopf gesammelt habe, und konzentriert sich in der Musik.

Thyrm: Die Texte des Albums sind wie immer sehr anspruchsvoll und mit viel Raum für Interpretation geschrieben. Wie kann man sich den
Prozess vorstellen, wenn du einen Text verfasst? Geschieht das zu Hause oder ziehst du dich an bestimmte Orte zurück? Überlegst
du dir zuerst, was du mit einem Text ausdrücken willst, und greifst dann zur Feder?

Alboin: Das ist sehr unterschiedlich. Zum Texte Schreiben brauche ich tendenziell noch mehr Zeit als für die Musik, weil der Prozess der Auswahl verschiedener Wörter oder Sätze, die zueinander passen und stimmig sind, noch sehr viel selektiver ist. Ein Text ist meist eine sehr schwere Geburt, allerdings führt das auch dazu, dass niemals ein Songtext entstehen oder gar auf einem Album landen wird, mit dem ich mich nicht 100%ig identifizieren kann.

Thyrm: Ist der Grundgedanke der Lyrics, immernoch der, den du im letzten Interview beschrieben hast? Die "Enttäuschung über die Schlechtigkeit des Menschen" auszudrücken?

Alboin: Das ist eine mögliche Formulierung dafür, ja, eine sehr allgemeine. Grundsätzlich ist das aber etwas, was mich sehr beschäftigt ja. Das hat uns als Band, was mich übrigens enorm ehrt, den Ruf von „schwuchteligen Gutmenschen“ eingebracht. Wirklich, das freut mich enorm und zeigt, dass es diese Texte eben zurecht gibt.

Thyrm: Das rund 15 Minuten lange Flagschiff "Unter Toten Kapitänen" ist mit eines der Atmospährischsten Lieder, das ich je gehört habe.
Könntest du den Titel und den Text etwas genauer erläutern?

Alboin: Ich habe mich entschieden, Texte und Titel nicht genauer zu erklären, das soll jeder selbst tun. Gerade das sollte der Beweggrund sein, sich ein Album zuzulegen, es intensiv zu hören, die Texte zu lesen und nachzuspüren, welche Gedanken darin widerhallen. Es ist einfach schade, wenn sich die Wahrnehmung unserer Hörer auf meine Intention beim Schreiben der Texte beschränkt, weil ich glaube, dass man daraus vielleicht viel mehr lesen kann als das, was ich selbst darin sehe.

Thyrm: Die Kieler-Band "Drautran" hat, auch wie ihr schon das Meer in ihre Texte einfliessen lassen um bestimmte Emotionen auszudrücken.
Als was siehst du das Meer in metaphorischer Sicht?

Alboin: Für mich ist das Meer in erster Linie eine Metapher für das Leben. Wie die Bewegungen des Meeres ist das Leben ein Kreislauf, ein undurchschaubares System, ein Auf und Ab, aber doch die Grundlage für alles, was auf diesem Planeten geschieht. Das Meer vermittelt Weite, Offenheit, Wildheit, Gefahr, aber auch Schönheit, Geborgenheit, Stille, Frieden. Irgendwo dazwischen bewegt sich auch das Leben des Menschen.

Thyrm: "Ihr glaubt wohl, ihr könnt in den stillen Worten der Lieder lesen, zu welchem Ziel es uns treibt..doch ihr irrt", heißt es in dem Stück "Einen Winter auf See".
Wie ist diese Textzeile zu verstehen?

Alboin: Das fällt unter die Kategorie der eben schon gestellten Frage. Ich denke, in diesem Fall ist es relativ eindeutig, was ich damit sagen möchte. Es ist immer extrem amüsant, wenn mir beispielsweise irgendwelche Internetmenschen in Foren erzählen wollen, worum es in unserer Musik eigentlich geht, was wir sind und nicht sind. Was bilden sich manche Menschen eigentlich ein?


Thyrm: Wie siehst du die Entwicklung vom noch deutlich wärmer klingenden "Kainsmal" zur neuen Scheibe?

Alboin: Wir haben uns sehr schnell und weit entwickelt in den letzten drei Jahren, sind bessere Musiker geworden, eine insgesamt fokussiertere Band mit teils auch anderen Mitgliedern. In Bezug auf das Schreiben und Arrangieren von Musik sind wir erfahrener geworden, und das kann man auch deutlich hören. Dadurch, dass „Galeere“ komplett aus meiner Feder stammt, wirkt es vielleicht auch homogener – und weil die komplette Atmosphäre des Themas kühler ist als das herbstliche, eher Melancholische auf „Kainsmal“, ist auch die Musik so geworden: eher kalt, unerbittlich, fast brutal.

Thyrm: Wie sind die ersten Reaktionen zu "Galeere"? Und wie wichtig sind sie dir persönlich?

Alboin: Die Reaktionen sind wirklich unglaublich gut. Wir bekommen sehr viele positive Stimmen von der Presse, das Interesse ist unglaublich groß, und das freut mich natürlich. Ich bin durchaus daran interessiert, wie andere Menschen unsere Musik aufnehmen und wahrnehmen. Mitunter tun sich da sehr aufschlussreiche Denkmuster auf. Für mich ist es nicht lebenswichtig, dass ich über alle Reaktionen auf das Album Bescheid weiß – aber natürlich höre ich, wie jeder Mensch, gerne positive Worte über die eigene Musik.


Thyrm: Wie stehen die Chancen, euch in Naher Zukunft live zu sehen? Habt ihr vor, eine größere Tour in Deutschland durchzuziehen?

Alboin: Das wird sich wohl in diesem Jahr rein organisatorisch nicht machen lassen. Wir haben zwar Ideen dazu, es würde aber wahrscheinlich bestenfalls auf eine Wochenendtour hinauslaufen. Wahrscheinlich ist, dass wir in diesem Jahr nur einige Einzelshows spielen und für nächstes Jahr etwas Größeres anpeilen werden.

Thyrm: Danke dir für die Beantwortung der Fragen, und für dieses wundervolle Stück atmosphärischen Black Metals! Die letzten Worte gehören dir.

Alboin: Danke für die Unterstützung, mehr habe ich nicht zu sagen.
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